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Die Sage von der Gründung der Obereichstädter Pfarre
In päpstlichen Zeiten bestand zu Niedereichstädt
eine Propstei, wie daselbst die eingegangene, mit dreifachen Wällen und Gräben
umgebene Burg, auf welcher der Probst seinen Sitz gehabt, hinter der Kirche noch
zu sehen; vor welcher nach südwärts eine beträchtlich große Flur guten
Feldes liegt, welches bis heute Propstei heißt. Von Niedereichstädt aus wurde
das Oberdorf als ein Filial begangen. Auf die zwei ersten hohen Feiertage des
Jahres pflegte der Probst selbst in Obereichstädt zur heiligen Messe zu
erscheinen um die benediction öffentlich zu erteilen. Im Übrigen aber wurden
alle gottesdienstlichen Handlungen durch dessen Kapellan verrichtet. Aber
Obereichstädt sehnte sich nach einem eigenen Pfarrer. Alles, auch die
tunlichsten Anschläge, mit denen man in dieser Absicht sich äußerte, wurden
durch die Dazwischenkunft des Probstes vereitelt, und es blieb also diese Sache
eine lange Zeit hindurch nur ein frommer Wunsch.
Endlich aber fügte es sich, daß ein frommer
ehrlicher Junggeselle in Obereichstädt – Konrad Bornhake – mit einer
wackeren Jungfer, die eben, wie er selbst, weder Vater, noch Mutter, noch
leibliche Geschwister hatte, in Absicht auf eheliche Verbindung zusammentrat.
Beide waren allerdings schon in vorgerückten Jahren. Kaum war das Projekt
bekannt geworden, so gedachten die weitläufigen Verwandten beider Teile aus
Furcht, um die Beerbung derselben zu kommen, durch List und Ränke solches
Vorhaben zu vereiteln.
Da machte schließlich der gute alte Junggeselle seiner
Freundin folgenden Vorschlag: Da sie nun beide zu alt würden, um zu heiraten,
so sollte sie doch einwilligen, daß ihre beiden Güter zu ewigen Andenken in
steter Vereinigung bleiben möchten. Er für sich besitze ein schulden- und
pfandfreies Haus, Hof, Garten und beinahe 12 Acker Feld, sie aber habe zu ihrem
Eigentum ebenfalls schulden- und pfandfrei 12 Acker Felde gleich nebst einem
Garten im Dorfe, so nur etliche Höfe von seiner Behausung liegen, welcher von
einem daneben wohnenden Peter Pelz noch jetzt Pfarrers „Pelzgarten"
heißt. Dies zusammen wollten sie zu einer Pfarrfründe stiften, wovon ein
eigener Pfarrer zu Obereichstädt schon notdürftig leben würde. Darin willigte
nun die betagte Jungfrau mit Freuden. Beide brachten das nötige Reisegeld
zusammen, und Konrad Bornhake versah sich mit einem nötigen Kreditschreiben und
reiste mit Ranzen und Stab nach Rom.
Glück und gutes Wetter begleiteten ihn, um
sein Vorhaben vom heiligen Vater Papst bestätigen zu lassen. Dort fand er ein
geneigtes Gehör. Doch verzögerte sich seine Sache, da man zuvörderst den
Propst zu Niedereichstädt befragte, ob er wider solches Ansuchen etwas
Erhebliches einzuwenden habe. Des Propstes Antwort fiel dahin aus: Er könne es
geschehen lassen, daß sich ein anderer der Kirchenarbeit in Obereichstädt
unterziehe; da er aber sich derselben noch nie geweigert, auch derselben nach
wie vor fürstehen wolle, so würde man ihm hoffentlich nicht zumuten, daß er
von den Substantialeinkünften seines Filials Obereichstädt nur das Mindeste
schwinden lassen solle. Jedoch erbot er sich schließlich, den Gang Brote als
jährliches Gefälle im Oberdorfe abzutreten, das Wiedemaß hingegen vom
Obereichstädter Flur von 59 Heimzen jährlich behalte er sich gänzlich vor.
Der Vater Papst erwog die Sache, der alte Junggeselle wurde befragt, ob er mit
seiner Freundin alle Grundstücke sogleich oder erst nach erfolgtem Ableben als
ein Gestift überlassen wolle. Haben wir die Freude, war hierauf seine Antwort,
einen eigenen Seelsorger zu Obereichstädt ankommen zu sehen, so steht selbigem
alsbald Wohnung, Garten und Äcker zu beliebigem Gebrauch. Ich und meine
Freundin haben noch so viel Vermögen, daß wir bis zu unserem Tode ehrlich
auszukommen gedenken. Der Papst fand mit seinen Kardinälen hieran ein großes
Wohlgefallen. Er erteilte nun das Fiat und das Decret wurde ausgefertigt. Da der
vergnügte Junggeselle solches in Empfang bekam, wurde ihm noch dazu gesagt. Nun
hätte er damit noch ins Secret zu gehen; dann wäre seine Sache völlig
geschehen.
Der ehrliche Kerl nahm dies Wort im Mißverstand auf und reiste
sogleich von Rom wieder bis ins Obereichstädter Feld, da er, um näher zu
gehen, auf dem langen breiten Raine, an dem sogenannten Werschen-Holz geradezu
auf das Dorf zu wanderte. Sobald ihn seine ackernden Mitnachbarn erblickten,
ließen sie ihre Pflüge stehen und liefen von allen Ecken auf ihn zu. Sie
fragten ihn voller Neugierde, was er denn Gutes ausgerichtet hätte: Er
erzählte nun seine glückliche Verrichtung mit Freuden. Man wollte ihn nicht
alles völlig glauben, bis er seinen großen beschriebenen Bogen hervorzog und
denselben ausbreitete. Ja, ja, fing nun einer mit halb unwilligem, halb
spöttelnden Tone an: „Das ist ja nicht untersiegelt!" Ja, was der
Geier! Sprach der erstaunte alte Junggeselle, Hui! Das wird’s gewesen sein, da
man bei meiner Abfertigung in Rom zu mir Sprach: Nun hätte ich noch mit dieser
Abfertigung noch ins Secret zu gehen. Stehenden Fußes kehrte er gleich wieder
um. Er kam im Secret zu Rom nach Wunsch an, ließ seine Sache besiegeln und
gelangte nun voller Freude zu Obereichstädt wieder an, ehe man sich’s versah.
Der Rain, auf welchem dieser Pfarrstifter zu Obereichstädt wieder nach Rom
zurückkehrte, heißt heute noch durch ganz Langeneichstädt, der römische
Rain.
Quelle: http://www.kirche-lge.com/kisp/OE/012/013/Pfarrer_OE/Sage/body_sage.html
Quelle: Die Geiseltalchroniken, Steffan Bruns, Berlin
2016
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